Ein sogenannter „Frauenberuf“ zeichnet sich im Wesentlichen dadurch aus, dass er schlechter bezahlt ist als ein vergleichbarer vermeintlicher „Männerberuf“. Wenn Frau besser bezahlt werden will, ist es also klug, einen „Männerberuf“ zu erlernen. Um schon Mädchen und jungen Frauen die Gelegenheit zu geben, Einblick in den Teil der Berufswelt zu geben, der vor allem Männern vorbehalten ist, gibt es seit geraumer Zeit den Girls’ Day.
Am Donnerstag, 25. April, ist in diesem Jahr der Girls’ Day, an dem Schülerinnen ab der fünften Klasse für einen Tag in einen sogenannten Männerberuf schnuppern.
Die Mädchen lernen unter anderem den Beruf der Feuerwehrfrau, Berufe rund um die Computertechnik, viele Handwerksberufe wie Elektrotechnikerin, Kfz-Mechatronikerin oder Schreinerin, aber auch die Berufe Forstwirtin, Bau-Ingenieurin oder Pilotin kennen. Bei diesen vermeintlichen „Männerberufen“ handelt es sich meist um solche aus der Natur, wissenschaftlichen und technischen Bereich. Relevant sind alle Berufe, in denen der Frauenanteil unter 40 Prozent liegt.
An diesem Tag bieten Handwerksbetriebe, Industrieunternehmen, Behörden, Universitäten und Hochschulen sowie andere Einrichtungen jeweils ein spannendes Programm, das den jungen Frauen die jeweiligen Berufsfelder näher bringt, Blicke hinter die Kulissen gewährt und für die Berufe wirbt. Bei den einen oder anderen Arbeitgebern haben die Mädchen auch die Möglichkeit, schon einmal Hand anzulegen und sich in den Tätigkeiten zu probieren.
Fachkräftemangel - Chance für Frauen
Arbeitgeber haben ein großes Interesse daran, junge Frauen für diese Berufe zu gewinnen, denn die Arbeitskräfte sind rar und werden immer heißer umkämpft werden. Außerdem merkt jeder Handwerksmeister, der einmal einen weiblichen Lehrling ausgebildet hat, dass man mit den jungen Frauen eine sehr gute Arbeitskraft gewonnen hat.
Rheinland-Pfalz unterstützt seit 2002 den Girls’ Day und so sind Schülerinnen an diesem Tag von der Schule freigestellt. Auch wenn nur einzelne Schülerinnen an dem Girls’ Day teilnehmen, gilt die Teilnahme am Girls’ Day als Schulveranstaltung. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil die Teilnehmerinnen so versichert sind. Die Schulen sind außerdem angehalten, an diesem Tag keine Klassenarbeiten und Klausuren anzusetzen, damit die Teilnehmerinnen des Girls’ Days nicht benachteiligt werden.
Übrigens ist am gleichen Tag auch Boys’ Day. Jungs bekommen hier Einblicke in vermeintliche „Frauenberufe“. Denn warum sollen junge Männer nicht Erzieher, Krankenpfleger oder Medizinisch-technischer Assistent lernen? rko
INFO:
Alle Informationen zum Girls' Day, freie Plätze in der Nähe und die Anmeldung findet man online unter www.girls-day.de
Ohne Klischees
Begabung ist keine Frage des Geschlechts
Seit vielen Jahrzehnten ist es das gleiche Bild: Entscheiden sich Jugendliche für einen Ausbildungsberuf, so orientieren sie sich auch heute noch meistens an den klassischen Rollenbildern. Beispiele dafür gibt es viele.
Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen etwa wählten 2022 genau 243 Jungen, aber nur sechs Mädchen eine Ausbildung im „Männerberuf“ Anlagenmechaniker/- in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Im klassischen „Frauenberuf“ Medizinische/r Fachangestellte/-r dagegen war das Verhältnis genau gegenläufig: Hier starteten neun Jungen und 264 Mädchen ihre Ausbildung. Das geht aus Statistiken des Bundesinstituts für Berufsbildung hervor.
Begabungen sind individuell
Doch sind Frauen wirklich besser für helfende Berufe geeignet als Männer? Und haben Jungen tatsächlich mehr handwerkliches Geschick? „Studien zeigen, dass Begabungen individuell sind und Fertigkeiten auf ihrer Basis erlernt werden“, informiert Miguel Diaz, Leiter der Servicestelle der Initiative Klischee frei. Diese hat es sich zur Aufgabe gemacht, zur Aufklärung beizutragen. Das Geschlecht spiele bei der Verteilung von Fertigkeiten keine Rolle, Übung hingegen schon, so Diaz. Unter www.klischeefrei.de gibt es eine umfassende Info-Datenbank zum Thema.
„Die Jugendlichen sollen ermutigt werden, gängige Rollenklischees kritisch zu hinterfragen“, unterstreicht die Schirmherrin der Initiative Elke Büdenbender. Ihr ist wichtig, dass auch Eltern die Berufssuche ohne Schubladendenken unterstützen, denn sie seien immer noch die Ansprechpartner Nummer eins der Schulabsolventen.
Gegen den Fachkräftemangel
Die Berufs- und Studienwahl erfolgt bei jungen Menschen im besten Fall also nach individuellen Fähigkeiten, Fertigkeiten, Interessen und Erfahrungen. Doch vorhandene Geschlechterklischees beeinflussen häufig die Entscheidung und schränken das Spektrum der Möglichkeiten ein. Sie tragen dazu bei, dass Potenziale verschenkt werden und Menschen mit ihrer Berufswahl nicht zufrieden sind. Von weniger Klischees profitieren letztlich alle: Junge Menschen aller Geschlechter erhalten die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln und dadurch Zufriedenheit und Selbstwirksamkeit zu erfahren. Betriebe bekommen motivierte Mitarbeitende, die durch ihre unterschiedlichen Perspektiven zum Erfolg beitragen. Sie erhalten zudem die Möglichkeit, dem Fachkräftemangel etwas entgegenzusetzen, der besonders in Berufen ausgeprägt ist, die zahlenmäßig von einem Geschlecht dominiert werden. djd