Der angehende Ingenieur im Rollstuhl kommt die Treppe zum Bewerbungsgespräch nicht hoch, die wechselwillige Mathematikerin kann die kleine Schrift ihrer Posteinladung nicht richtig erkennen. Und der junge Schulabsolvent mit starker Gehbehinderung weiß nicht, ob er sich die Ausbildung zum IT-Fachmann zutraut, für die er allein in eine andere Stadt ziehen müsste. Betroffene sollten hier Mut haben und festhalten an ihrem Wunschberuf.
Marina Zdravkovic ist aufgrund einer Muskelerkrankung selbst auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie arbeitet als Gesamt-Schwerbehindertenvertrauensfrau bei Siemens und sorgt dort unter anderem dafür, dass die Inklusionsvereinbarungen aus dem Bundesteilhabegesetz umgesetzt werden. Trotz aller Hürden empfiehlt sie Menschen mit Behinderung generell, sich auf auch ihre Wunscharbeitsstelle zu bewerben.
,,Wichtig sind die passende Qualifikation für den ausgeschriebenen Job und natürlich der Mut, sich zu melden", sagt die 48-Jährige. Gerade im Hinblick auf die Eltern rät sie dazu, ihre Kinder mit chronischer Erkrankung oder Behinderung zu ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen: ,,Den sollte man sich auch von niemandem ausreden lassen." Viele hätten Zweifel, ob sie die Anforderungen an den Job auch mit ihrer Behinderung bewältigen. Doch gibt es von einstellenden Unternehmen in vielen Fällen große Unterstützung, mit einer Behinderung in der Arbeitswelt erfolgreich zu sein. Bei der Siemens AG etwa liegt ein Schwerpunkt auch darauf, dass Software-Programme für alle nutzbar sind, also etwa auch hör- und sehbehinderte Mitarbeitende damit gut zurechtkommen.
,,Eine der wichtigsten Voraussetzungen, damit Menschen mit Behinderung ihre Stärken auf dem Arbeitsmarkt so einsetzen können wie Nicht-Behinderte, ist die bauliche und vor allem die digitale Barrierefreiheit“, weiß der Inklusionsbeauftragte bei Siemens, Andreas Melzer. „Wir haben großes Interesse daran, Menschen mit Behinderung in unser Unternehmen zu holen, da viele von ihnen gut qualifiziert und oft hoch motiviert sind." Während des Bewerbungsprozesses sollte direkt offen angesprochen werden, was der jeweilige Mensch braucht. Und auch wenn eine Jobbeschreibung nicht zu 100 Prozent passt, kann sich eine Bewerbung trotzdem lohnen. „Wir sind davon überzeugt, dass ein diverses Team am leistungsfähigsten ist", so Melzer. ,,Wenn Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Perspektiven zusammenarbeiten, ist das doch meistens sehr fruchtbar." djd
Fehlzeiten im Arbeitszeugnis
TIPP ZUM ARBEITSRECHT
Erwähnt ein Arbeitgeber Fehlzeiten im Arbeitszeugnis, sieht das für ausscheidende Beschäftigte schnell unvorteilhaft aus. Bei Bewerbungen etwa könnte dadurch der Eindruck von Unzuverlässigkeit entstehen.
Aber: Darf eine Angabe zu Fehlzeiten überhaupt ins Zeugnis?
„Grundsätzlich sollte das Arbeitszeugnis wohlwollend und berufsfördernd ausfallen", sagt Peter Meyer, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin. Deswegen gilt auch: Sollten Beschäftigte im Laufe ihres Arbeitsverhältnisses unentschuldigt gefehlt haben oder wegen Krankheit ausgefallen sein, gehört das nicht ins Arbeitszeugnis", so Meyer. Es gebe aber eine Grenze. Und zwar dann, wenn es um erhebliche Ausfallzeiten geht.
,,Das bemisst sich dann an der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses", so Meyer. War ein Arbeitnehmer etwa für vier Jahre angestellt, davon aber ganze zwei Jahre krank, dürfte der Arbeitgeber das ins Zeugnis aufnehmen. Allerdings in einer neutralen Formulierung wie ,,Das Arbeitsverhältnis war vom Datum X bis Datum Y unterbrochen“ Ähnliches kann sich auch im Fall einer Elternzeit ergeben. ,,Wenn zwischen der aktiven Tätigkeit und der Elternzeit ein Missverhältnis besteht, also erhebliche, wesentliche Ausfallzeiten vorliegen, geht man davon aus, dass Arbeitnehmende damit einverstanden sind, dass dies im Arbeitszeugnis erwähnt wird", so Meyer.
Dahinter stehe der Gedanke, dass diese Fehlzeiten an sich kein Makel für den oder die Mitarbeitende bedeuten. Es solle aber vermieden werden, dass ein falscher Eindruck davon entsteht, wie viel Berufserfahrung jemand während eines Arbeitsverhältnisses tatsächlich gesammelt hat. Laut Meyer sind solche Hinweise auf Fehlzeiten sehr selten und werden wie auch das Arbeitszeugnis im Gesamten in der Regel zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber abgestimmt. Zu bedenken sei, dass Zeugnisse häufig ohnehin gut ausfallen, vor allem dann, wenn Arbeitgeber Streit mit ausscheidenden Beschäftigten vermeiden wollen. dpa