Zeugnis in der Hand und dann? Nicht alle Schulabsolventen wissen direkt, was sie lernen oder studieren möchten, wie das künftige Berufsleben aussehen soll. Manche wollen vielleicht erstmal die Welt erkunden, andere Zeit für Freunde und Hobbys haben oder jobben. Wer sich gar nicht zu Bewerbungen motivieren kann, fällt womöglich sogar in ein Loch.
Doch wenn aus Monaten Jahre werden, stellt sich irgendwann die Frage: Wie geht man eigentlich mit dieser Phase des beruflichen Leerlaufs um, wenn es schließlich doch um Bewerbungen geht, etwa für einen Ausbildungsplatz? Zunächst einmal: am besten ohne Furcht. Die Lage sei für junge Menschen, die sich für eine Ausbildung interessieren derzeit sehr gut, ermutigt der Berliner Bewerbungs- und Karrierecoach Jürgen Hesse vom Büro für Berufsstrategie Hesse/Schrader. Und: Nahtlose Lebensläufe seien bei Arbeitgebern längst nicht mehr so gefragt wie früher.
Dennoch: Ganz ohne Erklärung geht es in der Regel nicht. Wichtig sei, potenziellen Ausbildungsbetrieben oder Arbeitgebern etwas über diese Zeit berichten zu können, so Hesse. Der Hamburger Karriere-Coach Volker Klärchen rät hier vor allem zu Ehrlichkeit. „Ich finde, man darf ruhig angeben, dass man ein Jahr, oder vielleicht sogar zwei, etwas anderes gemacht hat, und ehrlich darüber schreiben, was man getan hat.“
Wer viel gereist ist oder eine Weile im Ausland gelebt hat, dem dürfte das verhältnismäßig leicht fallen. Hier kann man das Erlernen einer Sprache, die kulturellen Erfahrungen, vielleicht auch den Nebenjob, mit dem man sich den Aufenthalt finanziert hat, anführen. Aber auch Heimweh oder andere herausfordernde Erfahrungen, aus denen man etwas mitgenommen hat. Wichtig sei es, die „positiven Ergebnisse dieser Erfahrung angemessen darzustellen, schriftlich wie auch im Gespräch“, so Hesse, der regelmäßig junge Menschen rund ums Thema Bewerbung trainiert. „Wenn Sie darüber Auskunft geben können, dann können Sie Ihren Aufenthalt auch über ein Jahr hinaus positiv rechtfertigen.“
Und auch mehrere Nebenjobs hierzulande lassen sich gut anbringen. „Wenn Sie sagen können, warum Sie das gemacht haben, dass Sie das gereizt hat, dass Sie nachgedacht haben, dass Sie jetzt umso besser wissen, warum Sie im öffentlichen Dienst, im Rathaus oder beispielsweise bei der Versicherung arbeiten wollen, dann ist das nichts anderes als etwas sehr Positives“, so der Experte Hesse.
Unterbringen sollte man solche Erfahrungen dem Karrierecoach zufolge im Lebenslauf dann am besten recht weit oben – direkt unter dem Namen, der Anschrift und dem Schulabschluss. Oder alternativ ganz unten – unter den Interessen, vor der Unterschrift.
Doch was, wenn man weder im Ausland unterwegs war, noch diverse Nebenjobs ausprobiert hat, die sich gut angeben lassen? Dann müsse man das Beste aus dem Material machen, das einem zur Verfügung steht, rät Hesse. Wie das letztendlich aussehen kann, dafür gibt es keine allgemeingültige Antwort. Fragen kann man sich aber: Was hat man denn tatsächlich gemacht in dieser Zeit?
Wer sich einer Leidenschaft intensiv gewidmet hat, etwa dem Sport oder der Musik, kann das durchaus aufgreifen. „Sie können aber auch sagen, dass Sie einen anderen Menschen, der in einer sehr schwierigen seelischen Situation war, meinetwegen Ihren Freund, Ihre Freundin, begleitet haben, dass Sie die Hauptansprechperson waren“, so Hesse. Letztendlich gilt ihm zufolge: „Es kommt darauf an, wie Sie das vermitteln.“
Von einem rät Karriere-Coach Volker Klärchen in jedem Fall ab: Sich einfach Auslandsaufenthalte, Nebenjobs oder andere Dinge auszudenken, nur um die Zeit, die man womöglich gar nicht mit besonderen Aktivitäten gefüllt hat, besser erklären zu können. Er empfiehlt, die Phase zwischen Schulabschluss und Bewerbung im Lebenslauf dann besser mit einem Oberbegriff zu versehen, sie etwa als Orientierungsphase zu bezeichnen. „Und im Anschreiben anzubieten, dass man das dann im persönlichen Gespräch gerne genauer erklären wird.“
Das habe den Effekt, dass man Firmen, für die eine Zeit ohne Job, ohne Ausbildung, ohne Auslandserfahrung und Co. ein „unüberbrückbares Problem“ wäre, schon einmal aussortiert. Unternehmen, die einen dennoch einladen, seien hingegen eher „offen dafür, dass in den zwei Jahren vielleicht gar nicht das Tollste der Welt passiert ist. Und dann kann ich da auch offener darüber reden.“
Wer etwa nach dem Schulabschluss erstmal in ein Loch gefallen ist, müsse im Gespräch nicht über die angeblich wertvolle Zeit reden, in der man neue Hobbys entwickelt habe. „Sondern dann kann man notfalls auch darüber reden, dass man erstmal gar nicht wusste, was man machen will und man diese Zeit jetzt gebraucht hat, um sich zu orientieren“, so Klärchen.
Ob man die Zeit nun mit zahlreichen Aushilfsjobs, Auslandsreisen oder mal mit diesem, mal mit jenem gefüllt hat: Bewerbungscoach Jürgen Hesse empfiehlt, vor einem Bewerbungsgespräch unbedingt zu üben, was man sagen wolle. Liegt eine recht lange Zeitspanne zwischen Schulabschluss und Bewerbung, ist die Frage danach schließlich nahezu gesetzt.
„Persönlich würde ich jedem jungen Menschen erstmal raten, sich hinzusetzen und sich Stichpunkte aufzuschreiben: Was will ich erzählen?“, so Hesse. Anschließend kann der Bewerber dann Freunde oder Verwandte bitten, das Überlegte anzuhören und Feedback zu geben. Ist das nicht möglich, könne man sich mit dem Smartphone auch einfach selbst aufnehmen. „Und dann merkt man schon, das klingt jetzt nicht so elegant.“ Oder aber, wie man es besser erzählen kann.
Wichtig: Diese Phase im Leben nicht mit einem schlechten Gewissen im Kopf vortragen. „Wo steht geschrieben, dass ich, wenn ich jung bin, und endlich die Schule fertig habe, mich sofort in die Uni oder Ausbildung stürzen muss?“, so Hesse. Und auch, wer die Zeit zwischen Schulabschluss und Bewerbung weniger aktiv gestaltet hat, braucht nicht den Kopf in den Sand zu stecken. „Jeder Lebensweg hat irgendwo früher oder später so seine Knicke“, sagt Volker Klärchen. Bei manchen Menschen sei das eben eher früher der Fall. „Aber das ist kein Grund, sich zu schämen oder sich schlecht zu fühlen.“ dpa