Beim Thema Karriere spielen Selbstvermarktung und Netzwerk eine große Rolle. Nicht die größten Stärken von Insie das aber nicht hindern.
Wahrscheinlich hat sich jeder schon mal geärgert, dass der Kollege, der als erstes und am lautesten etwas sagt, die Aufmerksamkeit der Führungskraft und des Teams bekommt selbst wenn das Gesagte nur heiße Luft ist. Zumindest als introvertierte Person dürfte einem dieses Szenario bekannt vorkommen.
Mittlerweile wissen Personalverantwortliche zwar, dass die Stilleren im Team genauso wichtige Beiträge zum Erfolg leisten. Introvertierten fällt es gleichwohl oft schwer, den angemessenen Respekt für ihre Leistung einzufordern.
Waren introvertierte Menschen nicht einfach diese schüchternen Eigenbrötler, die sich still in der hintersten Reihe verkriechen? Während Extravertierte die geselligen Stimmungskanonen sind? Ganz so einfach ist es nicht.
„Kurz gesagt schöpft der Extravertierte Kraft aus der Gesellschaft von anderen Menschen, der Introvertierte hingegen aus dem Alleinsein”, sagt Sylvia Löhken, die mehrere Bücher zum Thema verfasst hat. „Trotzdem kennen beide ein Bedürfnis nach menschlicher Nähe und nach Rückzug, nur setzen sie das auf unterschiedliche Weise um.”
Dem Kinder- und Jugendpsychotherapeuten Ralph Schliewenz zufolge kann man sich das am besten als zwei Pole auf einem Kontinuum vorstellen. „Alle Menschen liegen irgendwo dazwischen.” Bereits im Säuglingsalter lasse sich feststellen, wer wohin tendiert.
Die Schaffenskraft Introvertierter kommt von innen, sie brauchen Zeit und insbesondere eine reizarme Umgebung und Ruhe. Extravertierte dagegen mischen gern überall mit und reden meist viel, „weil sie die Tendenz haben, zu sprechen, um zu denken, und aus dem Kontakt mit ihren Kollegen Energie schöpfen”, sagt Petra Lienhop, die sich als Coachin unter anderem auf Selbstmarketing spezialisiert hat.
Das sei auch der Grund, warum Introvertierten Small Talk oft nicht besonders liegt. Sie wollen in der persönlichen Begegnung in die Tiefe gehen. Für Extravertierte sei Small Talk dagegen perfekt, um in Schwung zu kommen.
„Introvertierte lassen sich zudem emotional nicht immer so schnell mitreißen. Sie mögen zwar nicht überschwänglich ihre Begeisterung für einen Vorschlag zum Ausdruck bringen, doch ebenso wenig lassen sie sich direkt von negativen Gefühlen beeinflussen”, sagt Lienhop.
Bekommen ein introvertierter und extravertierter Kollege eine knappe Deadline vorgegeben, würde der Introvertierte tendenziell nüchtern bleiben und sich schon mal an die Bewältigung der Aufgabe machen, während sich der Extravertierte noch lange darüber aufregt.
Introvertierte zeichnen sich besonders durch ruhiges, konzentriertes Arbeiten und tiefgreifende Überlegungen aus, sagt Sylvia Löhken: „Analytisches Denken, Beharrlichkeit und Unabhängigkeit sind Stärken von Introvertierten.”
Darüber hinaus punkten sie mit gutem Risiko-Management und Einfühlungsvermögen. Sie können gut zuhören und beobachten. Auf der anderen Seite seien Introvertierte von schnelllebigen Arbeitskontexten oft überstimuliert, da bei ihnen dann eine Art Reizüberflutung einsetzt.
Sich selbst in den Vordergrund zu spielen, liegt Introvertierten oft nicht. „Extravertierte feiern ihre Leistungen mit anderen, weil sie am besten unter Menschen auftanken können, um Energie zu schöpfen”, sagt Lienhop. Introvertierte dagegen würden dazu neigen, ihre guten Leistungen regelrecht zu vergessen.
Sie brauchen den zusätzlichen Energieschub des Lobs weniger. „Sie schöpfen Energie aus dem Alleinsein. Deswegen tut es ihnen gut, an ihre Erfolge erinnert zu werden, durch einen Mentor oder Kollegen oder indem sie ein Erfolgstagebuch führen”, sagt Petra Lienhop.
Wichtig sei, die eigene Energie weise einzusetzen. Wo lohnt es sich, ins Außen zu gehen? Das kann ein Projekt sein, das sich introvertierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezielt aussuchen oder eine Veranstaltung zu einem Thema, für das sie brennen. „Dort können sie sich bewusst präsentieren und dann wieder ihre leisen Stärken für sich sprechen lassen”, rät Sylvia Löhken.
„Introvertierte neigen oft dazu, hohe Ansprüche an sich selbst und ihre Arbeit zu stellen und meinen, eine Führungsposition erst dann annehmen zu können, wenn sie sich absolut sicher sind, dass sie diese perfekt ausfüllen können”, so Lienhop.
Introvertierte im Unternehmen aufzubauen, erfordert also oft etwas Zeit. Das lohnt sich aber, ist sich Lienhop sicher: „Introvertierte pflegen oft einen aufmerksamen und integrativen Führungsstil, was gut zu unserer Vorstellung von aktuellen Teamarbeit passt.” dpa/tmn