Zehntausende US-Soldaten leben mit ihren Familien in Rheinland-Pfalz. Dass es so weit gekommen ist, hängt nicht nur mit militärstrategischen Gesichtspunkten zusammen. Eine zentrale Rolle spielt für die US-Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg ein Teil der unvollendeten Reichsautobahn Saarbrücken-Mannheim in der Nähe von Ramstein. Die deutsche Luftwaffe nutzt diesen Streckenabschnitt, bis er gegen Kriegsende von US-Streitkräften erobert wird. Das Areal entwickelt sich zum wichtigsten Drehkreuz der USA außerhalb der Vereinigten Staaten. Die Ramstein Air Base umfasst eine Fläche von etwa 1400 Hektar. Von hier steuern die USA heute alle ihre Luftstreitkräfte in Europa und Afrika.Neben Ramstein entstehen nach dem Krieg US-Flughäfen in Bitburg, Hahn, Spangdahlem, Sembach, Zweibrücken (zunächst kanadisch) und Pferdsfeld. Das neue Bundesland bietet für die Amerikaner einige Vorteile. US-Basen in Hessen wären möglicherweise in Reichweite der sowjetischen Artillerie. Auch die Vorwarnzeit für Luftangriffe wäre dort nur sehr, sehr kurz gewesen. Die US-Strategen wissen jedoch, dass der Rhein ein natürliches Hindernis für eventuelle Angreifer aus dem Osten darstellt. Daher liegt es für die USA nahe, ihre Stützpunkte auf der linken Rheinseite zu bauen.
Rheinland-Pfalz ohne Amerikaner? Seit Jahrzehnten ist das vor allem in der Pfalz geradezu unvorstellbar. Nicht zuletzt ein Stück Reichsautobahn ist dafür verantwortlich, dass das US-Militär hier starke Präsenz zeigt. Heute verwirklichen die USA in der Westpfalz ein Megaprojekt, das weltweit seines Gleichen sucht.
Wirtschaftsfaktor US-Militär
Die Amerikaner entwickeln sich schnell zum Wirtschaftsfaktor. 1946 sind in Rheinland-Pfalz noch über 40 Prozent der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt. 1948 werden zwei Drittel des Nettoproduktes der Industrie durch die Landwirtschaft erwirtschaftet. An den US-Standorten profitiert zunächst die Baubranche von dem Engagement der Amerikaner. Bis heute verdankt die örtliche Wirtschaft im Umfeld der US-Stützpunkte den amerikanischen Soldaten und ihren Familien einen signifikanten Anteil ihres Umsatzes. So liegen in westpfälzischen Restaurants meist selbstverständlich Speisekarten in englischer Sprache aus und in touristischen Einrichtungen, wie etwa dem Zoo im Kaiserslauterer Stadtteil Siegelbach, sind die Beschilderungen auf Deutsch und Englisch.
Nicht zuletzt haben viele Eigenheimbesitzer ihr Häuschen mithilfe einer Einliegerwohnung finanziert, die an US-Soldaten vermietet ist. Ganze Neubaugebiete sind unter anderem im Kreis Kaiserslautern und im Kreis Kusel entstanden, die mehrheitlich von Amerikanern bewohnt werden. Dank der Unterstützung durch ihren Arbeitgeber, das US-Militär, können die Soldaten vergleichsweise hohe Mieten zahlen. Ein Wirtschaftsfaktor, der in strukturschwachen Regionen wie der Westpfalz nicht von der Hand zuweisen ist. Aus einer Aufstellung des Innenministeriums für das Jahr 2018 geht zum Beispiel hervor, dass gerade mal in einem der 98 Dörfer des Landkreises keine (!) US-Soldaten leben. Insgesamt wohnen damals über 4100 Angehörige der amerikanischen Truppen mit ihren Familien im Landkreis Kusel. Landesweit sind zu dieser Zeit 45.300 registriert.
Fluglärm sorgt für Ärger
Aber die US-Militärpräsenz sorgt auch für kritische Stimmen. Ein Ärgernis für viele Rheinland-Pfälzer ist nach wie vor das Thema Fluglärm, das mit der starken Militärpräsenz einhergeht. Kritiker der USA treten zudem vor ein paar Jahren auf den Plan, als bekannt wird, dass die Air Base in Ramstein eine wesentliche Rolle für den Einsatz von Drohnen spielt. Obwohl es nie offiziell bestätigt wurde, gilt es in Militärkreisen als offenes Geheimnis, dass in der Westpfalz technische Anlagen stehen, die Signale so verstärken, dass US-Soldaten von Amerika aus Drohnen steuern können, die beispielsweise Ziele im Nahen Osten ansteuern.
Untrennbar mit der Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz verbunden ist zudem die Tragödie vom 28. August 1988. Damals findet auf der Ramsteiner Air Base ein Flugtag statt. Eine Maschine stürzt ab. 35 Menschen sind auf der Stelle tot, 35 weitere Besucher sterben an ihren Verletzungen, hunderte wurden verletzt. Bis heute leiden die Opfer und ihre Angehörigen.
Neben Ramstein ist für die US-Luftwaffe vor allem Spangdahlem von Bedeutung. Während über Ramstein mittlerweile in der Regel nur noch Frachtverkehr abgewickelt wird, ist in Spangdahlem auch ein Jagdgeschwader stationiert. Nicht zu unterschätzen für die USA ist zudem der Standort in Bruchmühlbach-Miesau (Kreis Kaiserslautern). Dort befindet sich das größte Munitionsdepot der US-Armee außerhalb der Vereinigten Staaten. Das nicht allzu weit entfernte Baumholder ist einer der größten europäischen Standorte der US-Armee. 1990 sind in der Gemeinde im Kreis Birkenfeld noch rund 11.000 US-Soldaten stationiert, hinzu kommen bis zu 10.000 Zivilangehörige. Heute leben etwa 5000 US-Soldaten mit etwa 4000 Zivilangehörigen in Baumholder. Die Anzahl der zivilen Arbeitsplätze hat sich in der Zeit von knapp 1200 auf rund 600 halbiert.
In der langen gemeinsamen Geschichte von US-Soldaten und Rheinland-Pfälzern gibt es viele Momente, in denen sich die Truppen aus einer Stadt zurückziehen und militärisches Areal frei wird. Was mittlerweile zumindest teilweise als Chance für eine Stadtentwicklung angesehen wird, verstärkt andernorts die wirtschaftlichen Probleme.
Eines der bekanntesten Konversionsprojekte dürfte sicherlich der Flughafen Hahn sein, der nach seiner Umnutzung zum zivilen Flughafen für etliche politische Skandale und Schlagzeilen sorgt. In Pirmasens vergammeln bis heute alte Kasernengebäude, während andere Teile des ehemaligen Militärareals auf der Husterhöhe unter anderem zum Hochschulstandort umgebaut wurden. Auch in Zweibrücken hat sich die ehemalige Kaserne auf dem Kreuzberg zur Hochschule gemausert.
Ein neues Kapitel
Aber die Geschichte der US-Militärpräsenz in Rheinland-Pfalz ist noch nicht vorbei. Gerade wird an einem neuen Kapitel geschrieben. Bei Weilerbach soll ein Hospital entstehen, das die Einrichtung des US-Militärs in Landstuhl ersetzen wird. Alleine die Summe von rund einer Milliarde Dollar, die dafür geplant ist, macht deutlich, um welche Dimensionen es geht. Auf einem einst als Munitionslager der US-Soldaten genutzten Areal entsteht ein Krankenhaus, das nicht nur die in der Westpfalz wohnenden Soldaten und ihre Angehörigen versorgen soll. Die neue Klinik soll zugleich medizinische Anlaufstelle für US-Militärangehörige sein, die bei Einsätzen in aller Welt verwundet werden. Das Hospital entsteht auf einem 650 Hektar große Gelände östlich der Ramsteiner Air Base.
Geplant ist ein Gebäudekomplex, dessen Gesamtflächenzahl, inklusive Parkhaus, mit 190.000 Quadratmetern angegeben wird. Vorgesehen sind 120 Untersuchungsräume und neun Operationssäle. Im Normalbetrieb soll die Klinik 68 Betten vorhalten; bei Bedarf ist die Kapazität erweiterbar auf 93. Insgesamt soll die neue Klinik einmal 4680 Räume haben. Erster Spatenstich für die Baumaßnahme war 2014. 2027 soll die Klinik fertig sein. Fünf Jahre später als ursprünglich geplant. ANDREAS GANTER
NEUER PODCAST
Zur Katastrophe von Ramstein hat die RHEINPFALZ einen mehrteiligen Podcast produziert, der ab 19. Mai 14-tägig erscheint. Eine Hörprobe gibt es bereits unter: www.rheinpfalz.de/ ramstein und auf allen gängigen Plattformen, etwa Spotify