„Innovationen im Druckbereich gehen vor allem von den Zeitungen aus“, sagt Roger Münch, Leiter des Deutschen Zeitungsmuseums im saarländischen Wadgassen. „Denn Zeitungen waren stets sehr technik-affin, weil sie immer schneller und kostengünstiger drucken mussten – Buchverlage haben da einen ganz anderen Rhythmus.“Doch heute gehen die Innovationen im Zeitungswesen für Münch in eine ganz andere Richtung – weg von der gedruckten hin zur digital übermittelten Nachricht. „Unsere Kinder und Enkel werden mit der Printausgabe einer Zeitung nichts mehr anfangen können – ob uns das gefällt oder nicht“, sagt Münch mit leichtem Bedauern, beschreibt er sich selbst doch als einen „Papiermenschen“. „Wir sind halt mit dem Papier groß geworden, auch mit dem Geruch und dem Format“, sagt Münch, Jahrgang 1959.Doch Münch, der in seinem Zeitungsmuseum – dem einzigen seiner Art im deutschen Sprachraum– zwischen tausenden Zeitungen und Zeitschriften sitzt, hat seinen Frieden mit der digitalen Zeitenwende gemacht. Er ist längst dabei, auch im Museum den Weg von Print zu Digital darzustellen. Auf rund 500 Quadratmetern werden anhand der Exponate alle Aspekte des Zeitungswesens – von der Nachrichtenbeschaffung über den Redaktionsalltag, den Satz, den Druck und den Vertrieb bis zur Rezeption und Wirkung – in ihrer historischen Entwicklung exemplarisch dargestellt. Mit dem Schwerpunkt „Zensur und Pressefreiheit“ ist das Haus auch ein Museum deutscher Demokratiegeschichte.
Den Regionalzeitungen gehört die Zukunft. Diese These vertritt Roger Münch, der Leiter des Zeitungsmuseums in Wadgassen. Seine Aussage knüpft er aber an Bedingungen.
Die Ausstellung, in der jährlich 15.000 bis 18.000 Besucher gezählt werden, ist in drei thematische Bereiche gegliedert: Der erste Bereich führt durch die „Geschichte der Zeitung von den Anfängen bis zur Spiegel-Affäre“ im Jahr 1962. Im zweiten Bereich „Technikhistorische Aspekte der Zeitungsherstellung“ stehen dreidimensionale Exponate wie historische Pressen und Maschinen im Vordergrund. Im dritten Bereich geht es schließlich um „Unsere Zeitung heute“ – die gerade in einem Umbruch begriffen ist.
Dass sich die Zeitung haptisch verändert und dass das Rascheln und Knistern durch digitale Piep-Laute ersetzt wird, ist für Münch zweitrangig, „denn es geht letztlich um Inhalte, nicht um die Form. Die Zeitung als Funktion wird nicht verloren gehen“, ist sich der Museumsleiter sicher: „Vielleicht gibt es ja eines Tages auch so eine Rückbesinnung wie es sie bei den Vinylschallplatten gibt.“
Dennoch gelte es, in der, durch die digitalen Wege immer schneller werdenden Übermittlung von Nachrichten, deren Qualität und sprachliche Aufbereitung nicht aus den Augen zu verlieren. „Früher“, so der Germanist Münch, „wurde einfach mehr Wert auf sprachliche Feinheiten gelegt. Heute wird vieles einfach hingerotzt. Da sitzt ein Redakteur und weiß genau, in 45 Minuten muss der Artikel fertig sein – da bleibt ihm oft nichts anderes übrig, als ihn einfach reinzuhauen.“ Zudem stellt Münch immer wieder fest, dass die junge Generation, die sogenannten Digital-Natives, die Rechtschreibung und Interpunktion kaum noch beherrscht. Und: „Für mich bedeutet Qualitätsjournalismus auch, dass die Journalisten die Recherche gelernt haben und ich mich deshalb auf sie und ihre Texte verlassen kann.“ Gerade diese Verlässlichkeit habe für ihn immer das Medium Zeitung ausgemacht, auch wenn sie durch die Relotius-Affäre des „Spiegels“ mit erfundenen Geschichten getrübt worden sei.
Und gerade weil Nachrichten heute im Sekundentakt veröffentlicht werden, von morgens bis abends im Radio und Fernsehen präsentiert werden, wird den Regionalzeitungen die Zukunft gehören, wagt Münch einen Blick in die Kristallkugel. „Denn ich will nicht nur wissen, was in der Welt passiert – ich will auch wissen, was in meiner näheren Umgebung vorgeht, hier in meiner Stadt, in meinem Verein. Wenn die Zeitung einen Sinn hat, dann ist es der regionale und lokale Bezug. Die Regionalisierung und die lokalen Informationen werden immer wichtiger.“
Wirtschaftlich überleben werden aber auch diese Zeitungen nicht mit dem Gedruckten. „Bei all den Kosten unter anderem für Papier, Druck oder Austräger ist die gedruckte Zeitung ein ökologischer und ökonomischer Irrsinn.“ Was sich Münch aber in Zukunft noch vorstellen kann, sind gedruckte Wochen- und Sonntagszeitungen. CHRISTIAN HANELT
ZUR PERSON
Roger Münch
Roger Münch, 1959 in Worms geboren, ist Germanist und Buchwissenschaftler. 1990 promovierte er zu dem Thema „Johann Friedrich Cotta von Cottendorf. Ein Beitrag zur Berufsgeschichte der Verleger.“ Tätig war Münch unter anderem von 1983 bis 1987 als Assistent beim Aufbau der Druckabteilung am Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim. Anschließend arbeitete er bis 1997 als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Leiter der Lehrdruckerei am Institut für Buchwesen in Mainz. Seit 2013 leitet Münch das Deutsche Zeitungsmuseum in Wadgassen. Mitglied im Vorstand des Saarländischen Museumsverbandes ist er seit 2010. han