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Domspitzen

Selbstjustiz wird bestraft

Speyerer Geschichten: Wie sich ein Schuster vor 150 Jahren am Sohn seines Schuldners rächte

Selbstjustiz wird bestraft

Im Jahr 1870 ging es heiß her in der Domstadt: Dem Speyerer Schuster Heinrich Schöner wurde unrecht getan. Allein seine Reaktion darauf war brutal. (Lithografie, um 1850). REPRO: LUDWIG HANS

Eine „alte Rechnung“ wurde von einem Speyerer Schuster gewaltsam und nach seinen Vorstellungen „beglichen“. Vor 150 Jahren stand er dafür in Zweibrücken vor Gericht. Am Abend des 19. Dezember 1870 hatte sich der Speyerer Kaufmann August Bastian noch auf ein Bier in die Wirtschaft zum „Römischen Kaiser“ begeben. Dort ließ er sich an einem Tisch, an dem schon ein Freund, Korporal Ziegler, aber auch der 37 Jahre alte Schuster Heinrich Schöner mit einigen seiner Freunde zechten, nieder.Der Schuster Schöner wurde zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt.Im Laufe des Abends und wohl unter Einfluss des Alkohols, äußerte Schöner mehrfach die offenbar auf Bastian bezogene Drohung „Es kriegt sie heute Einer noch!“. Der Groll des Speyerer Schusters beruhte darauf, dass Wilhelm Bastian, mit dem der Sohn August gemeinsam eine Gerberei und Lederhandlung betrieb, ihn einige Wochen zuvor auf Bezahlung einer ausstehenden Rechnung über den Bezug von Leder in Höhe von 20 Gulden verklagt und seine Forderung auch gerichtlich durchgesetzt hatte.Zunächst blieb alles friedlich: Erst um halb zwei Uhr morgens verließen Schöner und seine Freunde den „Römischen Kaiser“, August Bastian machte sich sogar erst um zwei Uhr früh auf den Heimweg. An der Ecke Korngasse/Hundsgasse angekommen, sah er dort mehrere Männer im Lichtschein einer Gaslaterne zusammenstehen. Als er an ihnen vorübergegangen war, hörte er einen davon rufen: „Das ist der, dem ich sie versprochen habe“, worauf drei Männer sich auf ihn stürzten und ihn festhielten, während Heinrich Schöner sich vor Bas-Selbstjustiz wird bestraft Speyerer Geschichten: Wie sich ein Schuster vor 150 Jahren am Sohn seines Schuldners rächte tian stellte und diesem mit einem harten Gegenstand einen Schlag auf das rechte Auge versetzte, so dass der Getroffene sogleich zusammenbrach und nur noch hörte, dass die Angreifer durch die Hundsgasse flüchteten.August Bastian hatte in seiner Jugend bereits die Sehkraft des linken Auges als Folge einer Krankheit eingebüßt, so dass er nach dieser Attacke nichts mehr sehen konnte und nach Hause geführt werden musste. Die Ärzte gaben sich anfangs wenig zuversichtlich, was die Wiederherstellung der Sehkraft des rechten Auges anbelangte, doch nach einer 70-tägigen Arbeitsunfähigkeit und einer medizinischen Behandlung stellte sich die Sehkraft zur Hälfte wieder ein. Allerdings blieb Bastian dadurch stark beeinträchtigt und war nur noch bedingt erwerbsfähig.Als das Pfälzische Schwurgericht im Juni 1871 diesen Fall noch einmal aufrollte, gab Heinrich Schöner als Beschuldigter an, er sei in der fraglichen Nacht nach dem Besuch im „Römischen Kaiser“ unmittelbar nach Hause gegangen und leugnete den Angriff auf Bastian. Dass diese Behauptung nicht der Wahrheit entsprach, konnte das Gericht durch die Aussage einer Mitbewohnerin seines Wohnhauses belegen, die häufig an Schlaflosigkeit litt und in diesen Situationen daher nachts öfters durch ihr Fenster auf die Straße schaute. So auch in der Nacht des Überfalls auf August Bastian, als die Zeugin wieder einmal nicht schlafen konnte und auf der Straße sah, wie der Angeklagte, als es gerade zwei Uhr schlug, nach Hause kam. Dabei konnte sie auch genau bezeichnen, dass er aus Richtung der Hundsgasse kam und nicht aus der Richtung, in der sich der „Römische Kaiser“ befand.Da Heinrich Schöner nach dem Wirtshausbesuch betrunken gewesen war, plädierte sein Verteidiger zwar auf verminderte Zurechnungsfähigkeit, was die Geschworenen jedoch nicht gelten ließen und ihn vollumfänglich schuldig sprachen, so dass ihn das Gericht zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilte. lh   

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