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Domspitzen

Jüdisches Erbe zum Eintauchen

Interview: Marina Nikiforova zur Aufnahme der „SchUM“-Stätten in die Unesco-Weltkulturerbeliste

Jüdisches Erbe zum Eintauchen

Elf Meter ist die Speyerer Mikwe tief. ARCHIVFOTO: KLAUS LANDRY/FREI

Um das Jahr 1100 florierte das jüdische Gemeindeleben in Speyer. Der Judenhof mit der heute noch fast vollständig erhaltenen Mikwe, der Synagoge und Frauensynagoge entstanden. Zusammen mit jüdischen Gemeinden aus Mainz und Worms bildeten die Speyerer Juden im Mittelalter den Verbund der sogenannten SchUM-Städte. Denkmäler dieser Zeit, die das aschkenasische Judentum entscheidend geprägt hat, wurden jetzt in die Liste der Unesco-Weltkulturerbe aufgenommen. Wir haben mit Marina Nikiforova, Geschäftsführerin der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz, über die Bedeutung dieses Schritts gesprochen.

Interview: Marina Nikiforova zur Aufnahme der „SchUM“-Stätten in die Unesco-Weltkulturerbeliste

Frau Nikiforova, wie lange hat es bis zur Aufnahme ins Weltkulturerbe gedauert? Von der ersten Idee bis alles ins Leben gerufen wurde und bis zur Entscheidung waren es fast 15 Jahre.

Was heißt es für Sie persönlich, dass das jüdische Erbe von der Unesco anerkannt wurde?

Wir freuen uns natürlich riesig für alle unsere Mitglieder und ich besonders, dass das jetzt endlich entschieden wurde. Für mich ist es eine Gelegenheit, nach außen zu zeigen, wie lange jüdisches Leben in unserer Region verankert ist und was es für uns bedeutet, mit diesem Erbe zu leben. Mit einem Erbe, das der Zukunft zugewandt ist, aber auch wirklich tief verwurzelt ist.

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Marina Nikiforova FOTO: JAROSLAV NECHITAJLO/FREI

Welche Bedeutung hatte Speyer für den SchUM-Verbund im Mittelalter?

In Speyer haben sich im Judenhof und drumherum schon seit dem 11. Jahrhundert die jüdischen Philosophen und interkulturelle Gemeinschaften versammelt. Das war wirklich die Blütezeit unserer Religionsgemeinschaft. Hier in Speyer endete im 14. Jahrhundert diese Blütezeit, aber zum Beispiel in Worms hat die jüdische Gemeinde dann noch floriert.

Welche jüdischen Bauten gibt es neben den alten Denkmälern heute in der Stadt Speyer?

Unsere jetzige Synagoge wurde vor fast zehn Jahren eingeweiht. Ermöglicht wurde das unter anderem durch den ehemaligen Oberbürgermeister Werner Schineller. Es war seine Idee, dass in Speyer, nachdem die Stadt so eine reiche Geschichte vor allem der jüdischen Gemeinde hat, unbedingt eine Synagoge stehen sollte. Während sich Mikwe und Judenhof in der Stadtmitte befinden, sind wir jetzt etwas näher Richtung Bahnhof gerückt. Dorthin, wo die ehemalige St. Guido-Kirche stand. Diese wurde saniert und zur Synagoge umgebaut. Da die Kirche lange nicht benutzt wurde, hat man entschieden, dass es hier viel mehr bringt, wieder eine Synagoge für Speyer zu bauen.

Ausgehend davon, wie schätzen Sie die geschichtlich doch sehr vorbelastete jüdisch-christliche Beziehung heute in Speyer ein?

Wir stehen sehr gut zueinander, etwa mit dem Bischof und dem Domkapitel. In Speyer herrscht ein besonderes Verhältniszwischen uns und allen Religionsgemeinschaften.

Auch zur Oberbürgermeisterin und Verwaltung – wir erleben immer nur Gutes, haben gute Beziehungen. Und das war auch schon immer so. Ich bin seit 2015 Geschäftsführerin, aber bei der Gemeinde angestellt bin ich seit 2001. In Speyer ist das Miteinander außergewöhnlich, gerade wenn man es mit anderen Städten vergleicht.

Was bedeutet der neu gewonnene Status der Denkmäler konkret mit Blick auf den Tourismus und die Zukunft?

Schon seitdem unsere Synagoge eingeweiht wurde, bekamen wir viele Anfragen zu Führungen. Vor der Pandemie hatten wir verschiedene Gruppen aus ganz Deutschland hier und es kamen auch Leute aus dem Ausland. Und jetzt wird es bestimmt noch mehr, denn die SchUM-Stätten sind wirklich eine lebendige Gegenwart. Selbst wir als Speyerer Bürger können jetzt mit einem ganz neuen Gefühl durch die Stadt flanieren. Auch für die Synagoge erwarten wir jetzt noch mehr Besuch, denn durch sie gehen wir unseren Weg in die Zukunft. Gleichzeitig gehört das Judenbad zu unserer Vergangenheit – so ist alles verbunden. lp  
    

Zur Sache

„SchUM“ ist ein Akronym der Anfangsbuchstaben der hebräischen Städtenamen von Speyer (Schin), Worms (Waw) und Mainz (Mem) und steht für den Verbund der jüdischen Gemeinden dieser Städte im Mittelalter. Das hebräische Wort Aschkenas bezeichnete im Mittelalter Deutschland und die dort ansässigen Juden, insbesondere aus dem Rheinland. Später dehnte sich die Bedeutung auf Mittel- und Osteuropa aus, es entwickelte sich das aschkenasische Judentum.

Die Mikwe ist ein Tauchbad zur rituellen Reinigung. Ursprünglich wurde es vor Betreten des Tempels in Jerusalem besucht. Heute wird es nur noch vor hohen jüdischen Feiertagen oder von Frauen nach der Menstruation oder der Geburt eines Kindes genutzt. Vor Gebrauch muss eine körperliche Reinigung erfolgen und Kleidung, Schmuck sowie Make-up müssen abgelegt werden. lp