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75 Jahre Rheinland Pfalz - Speyer

Gewiefte Taktiker und leutselige Landesväter

Acht Regierungschefs haben Rheinland-Pfalz regiert. Manche waren lange an der Macht und sich verdient gemacht um ein schwieriges Bundesland, dass sich nach dem Krieg aus kleinsten Anfängen nach oben kämpfen musste.

Gewiefte Taktiker und leutselige Landesväter

Peter Altmeier FOTO: DPA

Wie brutal Politik sein kann, lässt sich schon an den Anfängen des Landes studieren. Der erste, noch provisorische Ministerpräsident Wilhelm Boden regierte nur zwei Jahre. Bereits am9. Juli 1947, direkt nach der ersten Landtagswahl wurde er von Peter Altmeier unsanft zur Seite gedrängt. Boden war von der französischen Besatzungsmacht ernannt worden, um dieses arme zusammengestoppelte Land ohne politisches Zentrum zu führen.Boden musste sein Amt aufgeben, weil seine CDU, die 47,2 Prozent der Stimmen gewonnen hatte, ihm nicht folgen wollte. Der gewitzte Taktierer Altmeier schmiedete eine Allparteienregierung mit SPD, Liberalen und KPD und zwang den ahnungslosen Boden zum Rücktritt.

Acht Regierungschefs haben Rheinland-Pfalz regiert. Manche waren lange an der Macht und sich verdient gemacht um ein schwieriges Bundesland, dass sich nach dem Krieg aus kleinsten Anfängen nach oben kämpfen musste.

Ohne Altmeier hätte das Kunstgebilde Rheinland-Pfalz die ersten Jahre vermutlich nicht überlebt. Gescheitert wäre es an den inneren Widersprüchen dieses Landes und am Widerspruchsgeist der Pfälzer. Wie Boden war auch Altmeier von den Nazis verfolgt worden. Deshalb vertrauten die Alliierten ihm. Anders als Boden und ganz ähnlich wie der viel spätere Ministerpräsident Kurt Beck spielte Altmeier mit Hingabe die Rolle des Landesvaters, die nicht zu lernen ist, sondern vielmehr auf unverfügbare Weise Führungskraft, Ausstrahlung und Rollenbewusstsein kombiniert.

Altmeier wird vom Speyerer Historiker Rudolf Morsey als machtbewusst beschrieben, ein gläubiger Katholik, den der Laacher Mönch Emmanuel von Severus einmal beschrieben hat als von schlichter und starker Religiosität „in einer selbstverständlichen, oft von Humor gewürzten Art“. Manche haben ihn wohl eher als kleinbürgerlich und autoritär empfunden. Der „schwarze Peter“ war dennoch geachtet von den Rheinland-Pfälzern, die mit dem Bundesland mit Bindestrich noch lange fremdelten. Was beispielsweise verband die eher sozialdemokratisch wählenden Protestanten der Pfalz mit den der CDU verbundenen Katholiken in Mainz und Trier? Doch durchsetzungsstark und auf Ausgleich bedacht, wie der Trierer war, sorgte er dafür, dass die Rheinland-Pfälzer zusammenblieben.

Altmeier regierte als ein „ewiger Ministerpräsident“ schier unglaubliche 22 Jahre, das ist Rekord in der Nachkriegsgeschichte. Aber ein junger Wilder in der CDU-Fraktion des Mainzer Landtages drängte ihn am Ende brutal aus dem Amt. Der junge Ludwigshafener Helmut Kohl baute die Fraktion zu seiner Machtbasis aus und zwang den Regierungschef, zwei junge Mitstreiter in das Kabinett aufzunehmen, die einen Richtungswechsel in der Politik ankündigten: den 37-jährigen Sozialminister Heiner Geißler und den 35-jährigen Kultusminister Bernhard Vogel.

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Mark Forster FOTO: JÖRG CARSTENSEN/DPA
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Wilfried Dietrich FOTO:KUNZ
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Mary Roos FOTO: HENNING KAISER/DPA

Der Macher

Der 39-jährige Kohl hat das Image eines Machers. Nichts erinnert an den späten Kanzler Kohl, den wir als „Aussitzer“ in Erinnerung haben. Spottete der Spiegel über Altmeier als „greisen Landesfürst ohne Feuer“, staunte die Wochenzeitung „Die Zeit“ über Kohls „Karriere im Schnellzugtempo“.

In seine Regierungszeit wurden Häfen in Germersheim und Ludwigshafen gebaut und die A61 fertiggestellt. Ein Kindergartengesetz wurde verabschiedet, das sogar Lob von der SPD bekommen hat. Ohne Kohls Kurswechsel, ist sich der Mainzer Historiker Michael Kißener sicher, hätte die CDU in den Aufbruchsjahren bald die Macht verloren. Kohl konnte eiskalter Machtpolitiker sein und leutseliger Regierungschef, der den berühmt- berüchtigten Weinkeller der Staatskanzlei in einem riesigen Weinfass einrichten ließ. Und er ist der einzige rheinland-pfälzische Ministerpräsident, dem, anders als Kurt Beck und auch Rudolf Scharping, der Karriereschritt in die Bundespolitik gelang. Als Kohl nach Bonn ging, wurde Bernhard Vogel im Dezember 1976 sein Nachfolger als Mainzer Regierungschef. Bereits vorher hatte er angekündigt, dass die Landespolitik „Abschied vom Wünschbaren“ nehmen müsse. Die Wirtschaftswunderzeit war definitiv vorbei.

Nach dem Bauchmenschen und Machtpolitiker Kohl zog mit Vogel ein intellektueller Akademiker und Bildungsbürger in die Staatskanzlei ein. Vogel wollte Politik nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten machen. Er berief Beraterkreise mit klugen Köpfen, die das Regieren effizienter machen sollten. Beispielsweise versuchte die Landesregierung, aus aller Welt Industrieunternehmen anzusiedeln. Die CDU verlor an Einfluss und haderte mit Vogel, obwohl der viele Jahre mit einer Alleinregierung an der Macht blieb. Auch Vogel war stark katholisch geprägt und versuchte über Synoden und Kirchentage Einfluss auf Kirche und Gesellschaft zu nehmen. Als 1987 bei der Landtagswahl die absolute Mehrheit verloren ging, wurde es ungemütlich für Vogel. Er musste eine Koalition mit der FDP eingehen. Vogels tatsächlicher Gegenspieler saß allerdings in der eigenen Partei: CDU-Fraktionschef Hans-Otto Wilhelm. Gegen das rednerische Naturtalent des Fraktionschefs HOW hatte Vogel keine Chance. Als Wilhelm sich 1988 auf dem denkwürdigen Parteitag in Koblenz als Parteivorsitzender durchsetzte, war es um die CDU geschehen. Tief verletzt machte Vogel wahr, was er angekündigt hatte: als Ministerpräsident aufzuhören. Sein Amt übernahm der damalige Finanzminister Carl Ludwig Wagner, der aber keine Akzente setzen und das Abrutschen der CDU in der Wählergunst nicht aufhalten konnte.

Der Spröde

So haben die Rheinland-Pfälzer 1991 zum ersten Mal einen SPD-Mann zum Ministerpräsidenten gewählt: Rudolf Scharping. Der Mann aus Lahnstein hat das Fundament dafür gelegt, dass die SPD Regierungspartei wurde und geblieben ist. Erst die innerparteilichen Reformen Scharpings haben die SPD regierungsfähig gemacht. Er entmachtete die Bezirksverbände, hat die Landesgeschäftsstelle gestärkt und die Parteiarbeit auch mit Hilfe von externen Experten gestärkt. Vor allem aber hat Scharping der SPD einen Machtwillen eingeimpft, der in Deutschland am ehesten noch an die CSU in Bayern erinnert.

Für seine bodenständigen Genossen war Scharping ein Überflieger, gesegnet mit ultraschneller Auffassungsgabe, dafür im Umgang gravitätisch und spröde. In der Mainzer Fasnacht haben sie ihm das Etikett „Gottvater“ verpasst. Mit seiner Art hat er den konservativen Rheinland-Pfälzern, die 44 Jahre lang die CDU an der Macht gehalten haben, freilich auch den Wechsel leicht gemacht. Zur Politik Vogels und Kohls gab es keine großen Brüche. Nach drei Jahren lockte Scharping die große bundespolitische Bühne und er wurde Kanzlerkandidat der SPD. Der Griff nach den höher hängenden Früchten ist ihm jedoch nicht gut bekommen. In Mainz zog der Pfälzer Kurt Beck in die Staatskanzlei ein und blieb dort 19 Jahre. „Nah bei de Leut’“, hieß sein halbamtliches Regierungsmotto, das er gelebt aber auch sehr geschickt inszeniert hat. Wer mit ihm durch seinen Heimatort Steinfeld gelaufen ist, wo er seine berühmte Bürgersprechstunde abgehalten hat und selbst lange Bürgermeister war, kann das bestätigen.

Beck war der ungekrönte König einer rheinland-pfälzischen Bürgermeisterdemokratie, in der sich der Regierungschef um alles kümmert. Das freilich brachte ihm am Ende seiner langen und erfolgreichen Regierungszeit auch in schwere Probleme. Das Schlosshotel in Bad Bergzabern wurde zum Subventionsdesaster des Landes. Das Nürburgring-Projekt endete in einem Finanzskandal, der das Land Millionen kostete. Dieses um alles Kümmern war Becks große Stärke, aber eben auch seine Schwäche. Auch Becks Ausflug in die Bundespolitik endete im Desaster. Der beliebte Landesvater wurde regelrecht aus dem SPD-Vorsitz gemobbt.

Obwohl Beck als Geschlagener aus dem Amt gegangen ist, hat er den Übergang zu seiner Nachfolgerin Malu Dreyer doch selbst eingefädelt und so seiner SPD die Macht im Land gesichert. Auch deshalb genießt er bei seinen Parteileuten hohes Ansehen.

Das gilt auch für Malu Dreyer, die seit neun Jahren regiert. Sie hat in der Beck’schen Schule gelernt, wie man mit Nähe und Sympathie Wähler erreicht. Längst ist sie auch eine Landesmutter geworden, die so geschickt kommuniziert wie keiner ihrer Vorgänger. Da wird jedes Statement perfekt inszeniert und es gelingt nur selten, sie aus der Reserve zu locken. Die Politikerin aus Trier ist auch viel weniger emotional als ihr Vorgänger Beck, den Andrea Nahles einmal als „Buddha mit Zündschnur“ charakterisiert hat. Aber ihr strahlendes Lächeln sollte einen nicht täuschen. Aus welch hartem Holz sie geschnitzt ist, hat Malu Dreyer bei der Übernahme des Regierungsamtes gezeigt. ANDREAS BAHNER