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75 Jahre DIE RHEINPFALZ

Und täglich grüßt das Nagetier

UNSERMANN FÜR NILS NAGER: Wenn Steffen Butz einmal im Jahr sein Atelier im Kreativpark Alter Schlachthof in Karlsruhe öffnet, dann wird er auf ein Tierchen garantiert immer angesprochen: Nils Nager. „Und zwar nicht mal von Pfälzern“, wundert sich der Cartoonist. Seine vor 27 Jahren geschaffene Figur ist eben bekannt wie ein bunter – Biber.

Und täglich grüßt das Nagetier

Steffen Butz

Unter Volontären der RHEINPFALZ-Redaktion gab es eine Zeit lang ein sehr beliebtes Spiel, inzwischen würde man Challenge dazu sagen. Es ging darum, in einer Kindernachricht, und sei es nur ein Einspalter, möglichst viele Mitglieder der Familie Nager unterzubringen. Nils selbst sowieso, Mama Naglinde, Papa Nagbert und Oma Nagute, die Geschwister Nals und Nessy, natürlich den unvermeidlichen Opa Nörgel und, um es nicht zu einfach zu machen: den im bayerischen Exil lebenden Onkel Ambrosius.  Dass er einmal ein solches Universum schaffen würde – Steffen Butz hätte es sich nicht träumen lassen, als er 1993 einen Anruf von einer ehemaligen Mitschülerin bekam, der RHEINPFALZ-Redakteurin Annette Weber. „Damals habe ich noch in Ludwigshafen gewohnt und in Mannheim Grafikdesign studiert“, erinnert sich der gebürtige Frankenthaler, der in Ludwigshafen-Oppau aufgewachsen ist und (wie Jahrzehnte vorher Helmut Kohl) am Max-Planck-Gymnasium in Friesenheim Abitur gemacht hat. Sie sei auf der Suche nach Ideen gewesen, wie die Kinderseite ihrer Zeitung aufgemöbelt werden könne, erinnert sich Steffen Butz an jenes denkwürdige Telefonat, dem viele, viele weitere folgen sollten. Der Grundstein für Nils Nagerwar gelegt.

Der Gedanke, Steffen Butz zu fragen, war naheliegend. „Seit ich denken kann, habe ich immer gezeichnet“, sagt der heute 56-Jährige. „Mein Bruder und ich haben in den 1970er-Jahren mit Begeisterung das Magazin ,Zack’ gelesen.“ Von der sehr ausgeprägten französischen und belgischen Comic-Kultur seien beide fasziniert gewesen, vor allem der Belgier Hergé, der Zeichner von „Tim und Struppi“, habe ihn inspiriert, sagt Steffen Butz. In Deutschland habe das Comic-Genre damals ein Schattendasein gefristet. „Es gibt ein tiefes Misstrauen, und das wirkt bis heute nach, auch wenn man literarische Werke in Comicform inzwischen als ,Graphic Novel’ bezeichnet.“ Dabei sei Comic ein Genre wie jedes andere. „Es ist auch nicht jeder Krimi gut. Und so etwas wie ,Micky Maus’ ist überhaupt nicht dumm. Die Übersetzungen von Erika Fuchs sind sehr intelligent und haben großen Wortwitz“, sagt er.

Sein Bruder hat den Beruf des Pfarrers ergriffen, und Steffen Butz selbst entschied sich wegen fehlender Französischkenntnisse gegen die Ausbildung an einer Comicschule in Frankreich oder Belgien. Stattdessen studierte er vier Semester lang Kunstgeschichte und Archäologie in Marburg. „Ich habe heute noch ein sehr starkes Interesse an Kunstgeschichte“, sagt er. „Und das verlangt einem viel ab. Aber ich wollte einfach nicht Lehrer werden.“ Also ging es 1989 zurück in die pfälzische Heimat, zu einem Praktikum ins interne grafische Büro der BASF und ab 1991 zum Studium an die damalige Fachhochschule in Mannheim.

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Sein neuestes Werk mit den bekannten „Butz-Bären“: der Cartoon-Band „Wildwechseljahre“, erschienen 2020 bei Lappan. ZEICHNUNG: STEFFEN BUTZ

Gleichzeitig startete Butz als Cartoonist durch. Ein Bekannter an der Hochschule vermittelte ihm den Kontakt zur „Stern“-Redaktion in Hamburg, die eine ganze Seite und später immer wieder einzelne Cartoons veröffentlichte. „Als ich durch den Verlag geführt wurde, habe ich Gorbatschow getroffen“, erinnert er sich an aufregende Zeiten. Beruflich sei es „von null auf hundert“ gegangen. Ein Auftrag von Toto-Lotto Niedersachsen, Bilder für Rubbellose zu zeichnen, erwies sich als sehr lukrativ, Veröffentlichungen in Zeitschriften steigerten sein Renommee.

Ebenfalls schon ganz am Anfang seiner Laufbahn – es war nicht geplant, aber er sollte immer selbstständig arbeiten – erschuf Butz eine Figur, die ihn bis heute begleitet und die jeden Besucher in seinem Atelier auf einer Fußmatte begrüßt: den „Butz-Bären“. Er ist in Büchern und Kalendern, auf Postkarten und Postern verewigt. Und er hat Steffen Butz’ Kinder beim Groß werden begleitet: Seine Tochter wurde am 14. September 16 Jahre alt, sein Sohn am exakt selben Tag 19. Für ein Bilderbuch um den Bären Ole Brummließ sich Butz auch einmal direkt vom unaufgeräumten Kinderzimmer seines Sohnes inspirieren. In der Reihe sind bedauerlicherweise nur zwei Bände erschienen.

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Nils Nager und seine „Eltern“ 1995: Cartoonist Steffen Butz und Redakteurin Annette Weber. FOTOS: KUNZ/BUTZ

Und natürlich sind die beiden auch mit Nils Nager aufgewachsen, so wie unzählige Jungen und Mädchen in der Pfalz. „Wir hatten keine Ahnung, was aus der Idee einmal werden würde“, sagt Butz. „Anfangs war alles ganz schlicht und Nils eine Einzelfigur.“ Er bekam den Biberbau mit Einrichtung, seine Familie und wurde zum Namensgeber für die Kindernachrichten in der RHEINPFALZ. „Da kann er alles sein“, sagt sein „Papa“, „er kann Kind sein, er kann mit einer Zeitmaschine herumreisen, alles ist möglich.“

Inzwischen gibt es den Nils-Nager-Club mit viermal jährlich erscheinender Mitgliederzeitschrift, den von einer Kinderjury verliehenen Preis „Goldener Nils“ auf dem Festival des deutschen Films in Ludwigshafen und regelmäßige Veranstaltungen, bei denen ein überlebensgroßer Biber durch die Gegend tapst. Steffen Butz hat ihn schon mehrmals getroffen. 2013 bekam das Zeitungsmaskottchen den Sonderpreis beim Kindermedienpreis der Bundeszentrale für politische Bildung.

Dass sein Nils wahrlich nicht nur eine Identifikationsfigur für Kinder ist, hat der Cartoonist in der Corona-Zeit erfahren. Auf die Nils-Nager-Suchbilder in der Zeitung habe er viel Resonanz gerade von älteren Menschen bekommen. „Die Figur“, sagt Steffen Butz, „hat unheimlich viel Potenzial. Da kann man noch viel machen.“ VON NICOLE SPERK