Anzeigensonderveröffentlichung
75 Jahre DIE RHEINPFALZ

Aus dem Westen immer wieder etwas Neues

UNSERE FRAU FÜR FRANKREICH: Dagmar Gilchers Liebe zu unserem Nachbarland erwachte früh. So gehörte sie zum ersten Jahrgang an ihrer Schule, der Französisch als erste Fremdsprache erlernte. Ihre Promotion führte sie nach Paris und in die Normandie. Dass sie heute in der Redaktion für die Berichterstattung über Frankreich zuständig ist, liegt auf der Hand.

Aus dem Westen immer wieder etwas Neues

Deutschland, Frankreich und Europa – nicht immer einig, aber irgendwie dann doch eins: Dagmar Gilcher ist journalistisch als Grenzgängerin unterwegs.

Ein Besuch in Dagmar Gilchers Büro im Pressehaus in Ludwigshafen ermöglicht eine Zeitreise in fast drei Jahrzehnte Kulturjournalismus. Plakate zeugen von beeindruckenden Ausstellungen, jeder freie Fleck ist mit Bücherstapeln belegt, und an der Wand lehnt die eingerahmte Zeitungsseite vom 2. Mai 1992, von jenem Tag, an dem Dagmar Gilcher ihr Volontariat begonnen hat. Aus dem Schrank holt sie ein Plakat, das an den deutsch-französischen Reportagewettbewerb „Salut Nachbar – Hallo Voisin“ erinnert, den sie von 2003 bis 2012 mitorganisierte. Wehmütig wird sie, als sie ein Dokument des von ihr gegründeten grenzüberschreitenden Journalistenvereins Association des Journalistes Transfrontaliers (AJT) zeigt. Seine Arbeit ruht, Schatzmeister und RHEINPFALZ-Betriebsrat Uli Remmel ist 2009 gestorben.Zwischen all den Bücherstapeln liegt ein dickes Bündel aus Zeitungsseiten. In diesem Faszikel sind sämtliche Seiten abgeheftet, die freitags unter dem Titel „Über die Grenzen“ erschienen. Vom 25. April 1997 bis zum 26. September 2008. Seit es in der Samstagausgabe eine Wochenend-Beilage gibt, erscheinen sie hier unter dem Titel „Balkon: Über Grenzen“. Von Beginn an, also seit 23 Jahren, ist Dagmar Gilcher die zuständige Redakteurin. „Als der LEO gegründet wurde, ist freitags eine halbe Seite mit Freizeittipps freigeworden“, blickt sie zurück. „Ich war der Meinung: Wir leben so nah an der Grenze, dass wir auch über die Menschen in Lothringen und im Elsass schreiben sollten.“ Die RHEINPFALZ habe zwar schon immer über die französischen Nachbarn berichtet, und sie selbst habe auch schon vorher Reportagen über die Monet-Gärten oder den Pariser Friedhof Père Lachaise geschrieben. „Aber mir war es wichtig, vom Alltag der Menschen zu erzählen.“                     

Chefredakteur Michael Garthe, selbst sehr frankophil, gab grünes Licht, und so konnte im April 1997 die erste Ausgabe der Seite erscheinen. Mit einer Grafik, die den Lesern deutlich machte, wo überhaupt die Grenze verläuft zwischen der Pfalz und dem Saarland, dem Elsass und Lothringen. „Die Kontakte habe ich langsam aufgebaut“, erinnert sich Dagmar Gilcher. „Das Pamina-Büro in Lauterbourg hat mir sehr geholfen, und Marcel Neiss von der ,DNA’ war ein großer Türöffner.“ „DNA“ – das ist die Tageszeitung „Dernières Nouvelles d'Alsace“ aus Straßburg.

Dagmar Gilcher pflegt berufliche und seit Jahrzehnten private Kontakte nach Frankreich. Zweimal im Jahr macht sie dort Urlaub, einen davon immer bei Freunden in der Ardèche. In Paris und Straßburg ist sie regelmäßig. Von Kaiserslautern aus, wo sie aufgewachsen ist, ihre ersten Berufsjahre als Dramaturgin am Pfalztheater verbrachte und wo sie heute noch lebt, fährt sie gerne nach Lothringen. „Das wird oft mit Dreck, Stahl und Kohle verbunden“, sagt sie. „Dabei ist es so schön, so interessant.“ Wenngleich Frankreich als zentralistisches Land gelte, habe es in den Regionen eine unglaubliche Vielfalt zu bieten. 

Aus dem Westen immer wieder etwas Neues-2
D. Gilcher

„Ich habe da auch noch viele weiße Flecken“, sagt die 60-Jährige, „es gibt so vieles, das ich noch kennenlernen möchte.“ Natürlich kam ihr auch schon der Gedanke an einen Umzug nach Frankreich. „Aber mein Arbeitsplatz ist in Ludwigshafen, und da ist Pendeln nicht realisierbar.“

„Die Musik, die Lebensart, die Kultur, die Sprache, das Essen und Trinken“ – Dagmar Gilcher fallen auf Anhieb viele Antworten auf die Frage ein, was sie an Frankreich so liebt. Diese Liebe, sagt sie, haben ihr schon ihr Großvater und ihr Vater mitgegeben, die echte Grenzgänger waren. Schon in der Schule gab sie ihrer Faszination für das Leben der Nachbarn im Westen Ausdruck, mit einer Facharbeit in der elften Klasse über französische Regionalsprachen. Zu den Fächern, die sie in Mainz und Saarbrücken studierte, gehörte neben Musikwissenschaft, Germanistik und Kunstgeschichte auch Romanistik, und ihre Promotion befasste sich mit den Opern des französischen Komponisten Camille Saint-Saëns.

Als Dagmar Gilcher wegen der hohen Corona-Gefahr im Nachbarland nicht nach Frankreich reisen konnte, hat sie viel mit ihren Freunden dort telefoniert. „Wenn man plötzlich in Saarbrücken nicht einfach weiterfahren kann, wie schon einmal nach den Terroranschlägen in Frankreich. ist das schlimm“, erzählt sie. „Genau wie der Anblick einer auf halbmast wehenden Europaflagge in Schengen in diesem Frühjahr. Wir sind doch ein großer Raum. Und zum Glück empfinden die meisten Menschen das heute auch so.“  VON NICOLE SPERK